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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0006

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AN UNSERE LESER!
Die Zeitschrift »Feuer« beginnt ihren dritten Jahrgang. Die letzte Zeit sah eine geistige
Bewegung, die, alle Künste umfassend und von diesen auf das Gebiet allgemeiner Kultur
übergreifend, sich in raschem Tempo von jedem Geschichtlichen abwandte, um einen neuen
Stil, unabhängig von Konvention und Sitte, herbeizuführen. Es war die Absicht der Gründer
des »Feuer«, ein Organ zu schaffen, das sich gleichmäßig mit allen Äußerungen dieser
x geistigen Gärung befaßte und eine objektive Würdigung erstrebte. In überraschender
Anteilnahme schloß sich eine große Zahl wahrhafter Kunstfreunde und nachdenklicher
Menschen der Bewegung des »Feuer« an.
Mit der Klärung der Lebensverhältnisse und der politischen Zustände ging eine kritische
Wertung der künstlerischen Wirrnisse Hand in Hand. Heute stehen wir einer Strömung
gegenüber, die auf die zurückliegenden Erzeugnisse heftigen Überschwangs herabsieht
und von einem gänzlichen Zusammenbruch neuzeitlichen Kunstschaffens spricht. Sie mag
mit der Verurteilung der großen Herde modischer Mitläufer recht haben, aber sie über*
sieht, daß — wie jede Kurve der Stilentwicklung — auch jene Wallung eine kleine Anzahl
wahrhaft schöpferischer Kräfte emporwarf, die, keiner Richtung verschrieben, nur ihren
eigenen Gesetzen gehorchte und sich zu streng geschlossenen Persönlichkeiten entwickelte;
sie vergißt, daß auch die Versuche des Durchschnitts eine geistige Sehnsucht bestimmter
Richtung und Form erweckten.
Es ist die Pflicht eines jeden verantwortlich Urteilenden, in einer Zeit des Auseinander*
fließens und der heftigen Spaltung den Gesichtspunkt rücksichtsloser kritischer Wer*
tung mit dem Ausblick zukünftiger Einheit anzulegen. Insbesonders betrachtet es die
Schriftleitung des »Feuer« als ihre Aufgabe, die von allen ersehnte Synthese von Intellekt
und Phantasie, Historie und Gegenwart, Impression und Expression vorzubereiten. Aus
dieser Erkenntnis ergibt sich für den mit dem 1. Oktober 1921 beginnenden dritten Jahr*
gang des »Feuer« die Folgerung
die einem Kunstwerke zugrunde liegende Gesinnung allein als Maßstab der
Beachtung anzulegen, die Schöpfungen der Vergangenheit gemäß ihrer Be-
deutung für diese Gesinnung der Gegenwart einzuordnen und beide Werte in
höherer Einheit zu binden.
Nur dann wieder kann die Kunst in den Mittelpunkt des Seins verlegt werden, wenn ihre
allgemeinmenschlichen Kräfte frei ausströmen und von modischer Fessel undästhe*
tischer Spekulation gelöst werden. Daß diese Wirkung maßgebend für die Gesundung
der Gegenwart ist, erübrigt sich zu sagen.
Wir bitten unsere bisherigen Freunde dem »Feuer« auf diesem Wege zu folgen und in
ihrem Kreise Anhänger zu werben. Nur durch engen Zusammenschluß aller Gleichgesinn*
ten kann jenen ernsten Absichten die notwendige Stoßkraft verliehen werden.
C 60fJ
 
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